Alkohol: Kapitel 1

Alkohol ist Ethanol, eine farblose, leicht brennbare und flüchtige Flüssigkeit, die sich durch einen stechenden Geschmack auszeichnet. Sie wird aus der Gärung verschiedener pflanzlicher Stoffe wie Weintrauben oder Gerste hergestellt.

Wir studieren die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln und Pflegeprodukten, verzichten auf Gluten und Milcheiweiß, wir reden offen über psychische Beschwerden und die mentale Gesundheit, wollen keinen Stress in unser Leben bringen, gehen auf Urlaub, um abschalten zu können. Wir machen Retreats und Yoga und Pilates und Weitwanderungen, wir machen uns Gedanken über den Mikroplastikanteil in unserem Trinkwasser. Wir lesen Journale über Langlebigkeit und meditieren, um das Gedankenchaos in den Griff zu bekommen. Wir kaufen teure Bioprodukte ein und essen in coolen Hipster-Oasen unsere Buddha-Bowl, aber wir trinken Alkohol. Wir trinken eine psychoaktive Substanz mit abhängigkeitserzeugenden Eigenschaften, die eine gravierend hohe Krankheitslast und erhebliche soziale und wirtschaftliche Folgen verursacht (vgl. Whitaker, 2019).

Alkohol und Zahlen

Ein britischer Expertenrat – unter der Leitung des Psychiaters David Nutt vom Imperial College London veröffentlichte im November 2010 die Ergebnisse einer Langzeitstudie bezugnehmend auf 20 psychoaktive Substanzen und deren Gefährlichkeit. Auf der Skala von 1 bis 100 werden Rauschmittel wie Alkohol, Nikotin, Cannabis, Kokain oder Heroin gemessen und nach ihrer Schädlichkeit für KonsumentInnen und deren Umfeld bewertet . Die Kriterien des Schadens reichen von gesundheitlichen Auswirkungen hin zu sozialen und ökonomischen Konsequenzen. Im Ergebnis kommt der Expertenrat zum Schluss, dass Heroin (55 Punkte) besonders schädlich für die KonsumentInnen ist, Cannabis im Mittelfeld mit 20 Punkte liegt, Alkohol jedoch mit 72 Punkten und die schlimmsten Auswirkungen auf alle zutreffenden Bereiche hat (vgl. Schreiber, 2016).

Kosten vs. Nutzen

Kosten in Österreich:

Grundsätzlich entstehen Kosten durch erhöhten Alkoholkonsum folgendermaßen:

Einmal gibt es die medizinischen Ausgaben für Behandlungen und Pflegemaßnahmen. Hinzu kommt das Arbeitslosengeld wegen vorzeitiger Berufsunfähigkeit. Außerdem finden Produktivitätsverluste durch Alkoholisierung am Arbeitsplatz statt und zu guter Letzt werden durch Sucht verursachte Arbeitsunfälle addiert. Alkoholkonsum ist multifaktoriell, das bedeutet, dass es vielschichte Auswirkungen gibt. Ein Beispiel: Eine Frau trinkt am Abend eine Flasche Weißwein. Am nächsten Tag wacht sie auf und fühlt sich ein wenig müde und erschöpft. Sie arbeitet als Tischlerin und verletzt sich mit einer Maschine an der Hand. Im Krankenhaus wird sie versorgt und ist für die nächsten fünf Wochen krankgeschrieben.

Nun zu den Kosten in Österreich: Die Gesamtkosten für den österreichischen Staat setzen sich aus direkten sowie indirekten Kosten zusammen.

Die direkten Kosten werden nochmals unterschieden in direkt medizinisch und direkt nicht-medizinisch. Zu den direkten medizinischen Kosten zählen Ausgaben für stationäre Behandlungen, Rehabilitationen und Medikamente bei alkoholbedingten Krankheiten und Unfällen, sowie die Kosten für die Wiedereingliederung der Patientinnen und Patienten in das Berufsleben. Nicht-medizinische direkte Kosten umfassen Kranken- und Pflegegelder, Pensionszahlungen aufgrund vorzeitiger Pensionierung, Wohnungsanpassungen und Diätkosten.

Indirekte Kosten beziehen sich auf die wirtschaftlichen Folgen, die durch erhöhte Sterblichkeit und gesundheitlichen Einschränkungen in einer trinken Gesellschaft entstehen (vgl. Uhl, Bachmayer, Schmutterer, & Strizek, Handbuch Alkohol - Österreich Band 2 Gesetzliche Grundlagen, 2020).

Ein vorzeitiger Arbeitsausfall aufgrund des Auftretens einer alkoholbedingten Krankheit wie Leberzirose bedeutet Produktivitätsverlust. Außerdem treten in einer trinkenden Gesellschaft häufiger Krankenstände in Unternehmen auf, sei es nach exzessiver Konsumierung oder infolge eines geschwächten Immunsystems aufgrund des Substanzkonsums. Zudem ist die vorzeitige Pensionierung oder der Tod eines oder einer Erwerbstätigen ein weiterer Faktor für eine Minimierung der ökonomischen Leistung einer Volkswirtschaft. Nicht berücksichtigt bei dieser Auflistung werden unbestimmbare Kosten, welche aufgrund einer geringeren Lebensqualität einer Person, die Alkohol trinkt, entstehen.

2011 verursachte alleine die Alkoholkrankheit (also nur die Alkoholabhängigkeit) 1,44 Prozent aller Kosten im Gesundheitswesen, insgesamt 374 Millionen Euro (vgl. Czypionka, Pock, Röhrling, & Sigl, 2013).

Nutzen:

Der Großteil der Einnahmen für den österreichischen Staat sind steuerliche Bestimmungen (=Fiskalpolitik). Dabei werden die Mehrwertsteuer auf alkoholische Getränke erhoben. Hinzu kommt die Alkoholsteuer für Brände, Schnäpse und Liköre oder die Biersteuer, berechnet nach dem Stammwürzgehalt eines Bieres. Eine steuerliche Bestimmung auf Wein gibt es in Österreich nicht, allerdings wird eine Steuer auf Zwischenerzeugnisse, also auf Getränke auf Weinbasis, die mit einem Destillationsalkohol versetzt wurden, erhoben. Die fiskalischen Bestimmungen hierzulande sind im Vergleich zu anderen westlichen Länder wie Australien oder Island gering. Ein weiterer Nutzen ist die Einsparung von nicht ausgeschütteten Pensionen aufgrund von frühzeitigen Todesfällen durch Alkoholkonsum. Außerdem werden durch Unternehmen, die Alkohol herstellen oder vertreiben weitere steuerliche Vorteile wie Einkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer erkannt (vgl. Bundesministerium für Finanzen, 2023).

Laut einer Studie aus dem Jahr 2013 werden Kosten und Nutzen von Alkoholabhängigkeit in Österreich gegenübergestellt:

• Direkte (medizinische sowie nicht - medizinische) Kosten und indirekte (ökonomische) Kosten

Vs.

• Nutzen aus dem Alkoholsteueraufkommen und Aufwendungen für nicht ausgeschüttete Alterspensionen gegenüber

Das Ergebnis:

Die Alkoholkrankheit verursachte 2011 in Österreich alleine an direkten-medizinischen Ausgaben Kosten von 374 Millionen Euro. Die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten von Alkoholkonsum für den österreichischen Staat im Jahr 2011 betrugen 737,9 Millionen Euro. 0,25 Prozent des BIP von 2011 wurde für die Auswirkungen des Alkoholkonsums in Österreich verwendet. Laut aktueller Evidenz wirkt sich der Alkoholkonsum in Österreich zum Großteil auf die Produktivitätsausfälle aus (vgl. Czypionka, Pock, Röhrling, & Sigl, 2013).

Unsere Lebensrealität

Die österreichische Lebensrealität bezüglich Alkoholkonsum ist harsch. Sie ist harscher als in den meisten anderen Ländern der Welt. Die österreichische Bevölkerung lügt sich stärker an, die Augen werden vor derartigen Folgen verschlossen und es wird akzeptiert, dass Traditionen, kulturelle Veranstaltungen und Festivitäten als Anlass zum Trinken verwendet werden können.

Man fesselt sich an berufliche Laufbahnen, an Lebenswege, die gesellschaftlich anerkannt werden, man will sich von anderen abheben. Wir leben in einer Gesellschaft, die Erfolg verehrt, finanziellen Wohlstand, sozialen Status und Reputation als stärkeres Mittel zur Selbstdefinition vertritt als innere Werte und Überzeugungen, Freunde, Familie und persönliche Ziele. Leistung ist gut und wichtig, aber wie sehr definieren wir uns damit? Alkohol als kulturell und gesellschaftlich akzeptierte Droge wird dabei zur Stressreduktion eingesetzt, als Instrument zur guten Stimmung, als Belohnung einer anstrengenden Arbeitswoche und als Antidot zu Einsamkeit. Diese Zustandsveränderung, dieses Verhalten und die Einstellung, welche man hierzulande zu Alkohol hat, beeinflusst unser Denken, unsere Werte und unsere Arbeit.

Alkoholfreie Cocktails, alkoholfreier Sekt und alkoholfreies Bier werden immer beliebter. Die Branche ist sich dessen bewusst. Wird es zu einer echten Veränderung kommen, oder handelt es sich lediglich um einen kurzlebigen Trend?

Regina Mader

Regina Mader

schreibt und liest gerne. In ihrer Freizeit geht sie wandern und laufen. Aufgrund ihres derzeitigen Wohnortes fällt die Zahl der potenziellen Bergtouren spärlich aus. Das Einzige, was erklimmt werden kann, ist der Bisamberg oder das Riesenrad. Letzteres ist mehr schlecht als recht. Dafür gibt es in Wien schöne Gebäude. Sie kreierte Salty Mountain, um Gedanken loszuwerden und Denkanstöße zu schaffen.

https://www.saltymountainclub.com/
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Das Zwiebel-Prinzip: Warum wir uns schälen müssen, um zum Kern zu kommen

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Die Selbstdarstellungsillusion