Die Globetrotter-Lüge. Das falsche Versprechen der Generation Weltreise

Es wehte eine Prise Anspannung durchs Flugzeug. Kurz nach dem Start, besser gesagt wenige Stunden danach, als das Abendessen schon verspeist war und die Flugbegleiterinnen Bier und Wein servierten, musste der Notarzt von Bord gerufen werden. Ein Passagier lag am Boden, rundherum standen Menschen, die Atmosphäre war trotz des Vorfalls ruhig. Die Person lebt noch, denke ich.

Von den Sitzen im Flugzeug bekommt man arge Nackenschmerzen. Als man dann in Bangkok ankommt, weht der Wind die Erwartungen weg, plötzlich ist es still. Die Stadt ist lebendig, Chaos findet man nur auf den Straßen statt. Aber eine Welle aus Zweifeln und Wehmut, Ängsten und Überforderung wird einen überschwemmen, spätestens bei der Rückkehr.

Trendy und Fashionable

Reisen liegt momentan im Trend. Backpacking bei uns jungen Menschen gehört zur absoluten Lebenserfahrung. Das sieht man an den Absatzzahlen von Reise-Rucksack-Anbietern und Go-Pros. Nur noch kurz die Welt bereisen, würde Tim Bendzko sagen. Schnell noch, bevor alle anderen dort schon gewesen sind. Schnappschüsse schießen und zack zur nächsten Destination. Im Akkord-Tempo, so viel, so schnell, so einzigartig wie möglich. Italien und Griechenland reichen uns nicht mehr, es sei denn es ist eine Pauschalreise in einem All-Inklusive Hotel am Meer. Wir wollen Touri-Cluster wie Bali und Exotisches wie Hawaii und Papua-Neuguinea. Ach und währenddessen natürlich noch fleißig auf Social Media posten, wir wollen ja bewundert werden. Wir wollen, dass uns Fragen gestellt werden und uns Menschen beneiden. Genau und wann ist die beste Zeit, um mit 12-Kilo-Rucksack Hostels und Inseln abzuklappern? Richtig, wenn man jung ist und gerade einen Abschluss in der Tasche hat. Eventuelles Sponsoring von den Eltern und ganz wichtig, mit einer Polaroid-Kamera losziehen, damit die Fotos richtig vintage aussehen.

Reisen ist im Trend. Jeder will besonders sein und trotzdem sind dann doch alle gleich. Jeder will aus der Matrix ausbrechen und landet schließlich doch im Hostel voller westlicher Rücksackreisende, die denken, sie müssen einen auf Alexander Supertramp machen: Lost, Independet, Free. Ja, wer’s glaubt, wird seelig. Apropos seelig, was wir Touris an Müll und Emissionen verursachen ist beyond jeglicher Fantasien. Ein Billigflug hier, ein Charterflug da, wer es sich leisten kann, der darf das ja machen. Und dann fleißig die Öko-Partei wählen und Tofu essen fürs Klima. #awarenessreicht.

Am Ende sind wir dann gleich lost wie zuvor. Zu viele Möglichkeiten, zu viele Ablenkungen, zu viele Vergleiche mit anderen, zu viel FOMO. Am Ende ist das Bankkonto leer und das Fotoalbum voll. Yes, wenigstens etwas geschafft.

Dieser Text stammt von Regina Mader und richtet sich auch primär an die Autorin selbst, oder?

Regina Mader

Regina Mader

schreibt und liest gerne. In ihrer Freizeit geht sie wandern und laufen. Aufgrund ihres derzeitigen Wohnortes fällt die Zahl der potenziellen Bergtouren spärlich aus. Das Einzige, was erklimmt werden kann, ist der Bisamberg oder das Riesenrad. Letzteres ist mehr schlecht als recht. Dafür gibt es in Wien schöne Gebäude. Sie kreierte Salty Mountain, um Gedanken loszuwerden und Denkanstöße zu schaffen.

https://www.saltymountainclub.com/
Weiter
Weiter

Wer frische Luft braucht, soll raus gehen